Bewerbungsgespräch führen in 2025: Leitfaden für Arbeitgeber

Florian Horbach
14.7.2023
7
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Inhalt

Neue Mitarbeitende im eigenen Unternehmen einzustellen ist eine Herausforderung an sich. Sie müssen innerhalb nur weniger Stunden herausfinden, ob die jeweilige Person nicht nur fachlich und persönlich zu Ihrem Unternehmen passt, sondern auch, ob diese mit der gleichen Erwartungshaltung und einer gemeinsamen Zielsetzung in die Zusammenarbeit starten. 

Es gibt nur Weniges, das für Personaler:innen schlimmer ist, als einen guten Bewerber nach nur wenigen Monaten aufgrund potenziell vorhersehbarer Faktoren zu verlieren und den Einstellungsprozess von vorne beginnen zu müssen.

Das Bewerbungsgespräch ist hierbei ein entscheidender Faktor und womöglich der wichtigste Teil innerhalb des gesamten Einstellungsprozesses. Es gibt Ihnen, bei Nutzung einer einheitlichen und durchdachten Struktur, die Chance, Ihre unterschiedlichen Kandidaten kennenzulernen, die einzelnen Bewerbungsgespräche vergleichbar zu machen und die bestmögliche Personalentscheidung für Ihr Unternehmen zu treffen.

Der nachfolgende Leitfaden für Personaler:innen und Führungskräfte hilft Ihnen dabei, Bewerbungsgespräche zunächst effizient vorzubereiten, im Anschluss durchzuführen und letztendlich einen positiven Eindruck bei Ihren Kandidat:innen zu hinterlassen.

Was wollen Sie erreichen: Ziele des Bewerbungsgesprächs

“Was sind Ihre größten Schwächen?" ist nur eine der Fragen, vor denen der durchschnittliche Bewerber zittert. Personaler:innen nutzen diese und weitere Fragen oftmals, um Kandidat:innen aus der Reserve zu locken und zu sehen, wie diese mit Stresssituationen umgehen können. Dies mag für manche Rollen in Ihrem Unternehmen Sinn ergeben, doch bedenken Sie immer - ein Bewerbungsgespräch ist kein Stresstest und nicht jede freie Stelle sollte mit einem nervenstarken und gewieften Rhetoriker besetzt werden.

Das Ziel eines Bewerbungsgesprächs ist ein anderes: der Bewerber und der Arbeitgeber bekommen die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen und zu evaluieren, ob die Stelle und das Unternehmen zum Bewerber passen. Der Fokus sollte hierbei auf das gegenseitige Kennenlernen gelegt werden, da es nicht nur darum geht, den Lebenslauf eines Bewerbers noch einmal vorgetragen zu bekommen, sondern diesen im Detail kennenzulernen und sich im Gegenzug als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre und vergewissern Sie sich, dass sich Ihr Gegenüber wohl fühlt. 

Die Vorbereitung

Das Bewerbungsgespräch zu organisieren ist nicht alleine Aufgabe der Personalabteilung, sondern bedarf einer genauen Abstimmung zwischen Personal- und Fachbereich. Während die Kollegen aus der Abteilung, in der der jeweilige Kandidat später einmal arbeiten soll, die Einzelheiten zu den fachlichen Anforderungen kennen, betreuen Personaler:innen im Regelfall die Kommunikation gegenüber den Kandidaten, die allgemeine Organisation des Prozesses sowie die Abstimmungen mit den Kollegen. Leiten Sie die richtigen Schritte ein, um eine rundum positive Candidate Experience zu gewährleisten und den Einstellungsprozess zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.    

Phasen und Ablauf des Bewerbungsgesprächs

Phase 1: Die Begrüßung der Kandidat:innen (5-15 Minuten)

“Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.” Dieses bekannte Credo lässt sich natürlich auch auf das erstes Aufeinandertreffen zwischen Ihrem Unternehmen und Ihren Kandidat:innen übertragen. Nehmen Sie Ihren Bewerber:innen die Nervosität und stellen Sie sicher, dass sie sich wohl fühlen. Starten Sie ruhig mit einer lockeren Runde Smalltalk, stellen Sie sich kurz vor, fragen Sie, ob die Anreise zu Ihrem Büro gut gelaufen ist, und ob der Bewerber schon einmal in der Gegend war. Ihr Ziel ist es, dass Bewerber:innen sich von ihrer ersten Aufregung beruhigen und Ihr Unternehmen von Beginn an als professionellen aber auch menschlichen Arbeitgeber wahrnehmen. 

Lassen Sie Ihre Bewerber:innen nicht warten und starten Sie das Gespräch zum vereinbarten Zeitpunkt. Falls mehrere Personen aus Ihrem Unternehmen an dem Bewerbungsgespräch teilnehmen, empfiehlt es sich, eine Vorstellungsrunde zu starten, in der jeder Teilnehmer kurz seine Rolle im Unternehmen, aber auch sich persönlich vorstellt. 

Zum Abschluss der ersten Phase sollten Sie eine Struktur aufzeigen, was Ihr Gegenüber innerhalb des Bewerbungsgesprächs erwarten kann, so hat die Person die Chance, sich bereits gedanklich auf die nächsten Minuten vorzubereiten. 

Phase 2: Stellen Sie Ihr Unternehmen vor (5 Minuten)

Nach der Vorstellung ist es verständlich, dass Sie direkt alle Ihre Fragen zu den bisherigen Stationen der Kandidat:innen, den fachlichen Fähigkeiten und Erwartungen an die Stelle loswerden wollen. Doch denken Sie immer daran, es geht auch darum, Ihr Unternehmen gegenüber Kandidat:innen “zu verkaufen”. Gehen Sie in Vorleistung und stellen Sie Ihr Unternehmen vor, erzählen Sie was es einzigartig macht und warum Sie gerne hier arbeiten. Seien Sie authentisch und berichten Sie auch von den Dingen, die noch nicht 100% funktionieren und die Ihr Unternehmen in Zukunft verbessern möchten - niemand ist perfekt und Schwäche zu zeigen zeugt von Größe. Begegnen Sie Ihren Kandidat:innen mit denselben Werten, die Sie auch von diesen erwarten. 

Phase 3: Das Gespräch - Interview (30-40 Minuten)

Nun kommt es zur Königsdisziplin - dem eigentlichen Interview. Hierbei besteht die Kunst darin, alle erdenklichen Informationen über die Kandidat:innen zu erhalten, sodass keine relevanten Fragen offen bleiben, ohne ihnen dabei das Gefühl zu vermitteln, sich in einem Verhör zu befinden. Strahlen Sie Ruhe aus und begegnen Sie Ihrem Gegenüber auf Augenhöhe. Ein Dialog kommt erst dann zur Entfaltung, wenn beide Parteien an der Unterhaltung teilnehmen, sich gegenseitig Fragen stellen und auf das Gesagte noch einmal im Detail eingehen. 

Hören Sie aufmerksam zu, machen Sie sich Notizen und lassen Sie Raum für kurze Pausen. Unterbrechen Sie Bewerber:innen nur im Notfall, da Sie sich im Beschreiben von emotionalen Situationen oder Herausforderungen gerne einmal in einem Redefluss befinden können. Lediglich wenn sich der Bewerber für zu lange Zeit verliert und die Struktur der Geschichte den roten Faden verliert, können Sie unter die Arme greifen.

Allein durch die Tatsache keine standardisierten Fragen, beispielsweise nach Stärken und Schwächen der Bewerber:innen, zu verwenden, sondern der Unterhaltung zu mehr Tiefgang zu verhelfen, heben Sie sich von dem Großteil der Unternehmen ab und hinterlassen so einen bleibenden Eindruck bei Ihren Bewerber:innen. Welche Fragen Sie benutzen, hängt natürlich stark von der jeweiligen zu besetzenden Rolle ab. Wir haben Ihnen jedoch am Ende dieses Artikels eine kleine Übersicht zusammengestellt, um Ihr Bewerbungsgespräch interessant und relevant zu gestalten.

Phase 4: Beantworten Sie die Fragen der Kandidaten (5-15 Minuten)

Hoffentlich wurden bereits in den vorherigen Phasen viele Fragen der Kandidat:innen zu Ihrem Unternehmen, der zu besetzenden Rolle und der dazugehörigen Erwartungshaltung beantwortet. Es lohnt sich jedoch, noch einmal Raum dafür zu schaffen, etwaige letzte Fragezeichen zu klären. Es ist auch in Ihrem Interesse, Kandidat:innen die bestmögliche Grundlage für Ihre weitreichende Entscheidung zur professionellen Zukunftsgestaltung bereitzustellen, um so eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Lassen Sie sich auch von kritischen Fragen nicht aus der Ruhe bringen oder gar abschrecken, da dies eher das tiefe Interesse und ggf. analytische Denken des Bewerbers unterstreicht. 

Phase 5: Abschluss des Bewerbungsgesprächs und nächste Schritte 

Ende gut, alles gut - hoffentlich. Verpassen Sie es nicht, einen gelungenen Schlusspunkt zu setzen. Bedanken Sie sich bei Ihrem Gegenüber, selbst wenn das Gespräch nicht perfekt abgelaufen sein sollte, und sprechen Sie über die nächsten Schritte. Beantworten Sie hierbei die folgenden Fragen: Was passiert als Nächstes? Folgen weitere Gespräche? Wann meldet sich wer bei wem über welches Medium (Telefon, E-Mail, etc.)?

Verpassen Sie auch hier nicht, sich nach den Vorstellungen der Kandidat:innen zu erkunden. Haben diese einen genauen (und ggf. strengen) Zeitplan? Sind Sie durchgängig erreichbar oder fahren sie in den Urlaub? Befinden Sie sich in weiteren Bewerbungsverfahren? 

Sollten Sie von dem Bewerber überzeugt sein, kann es sich lohnen, eine kleine Führung durch die Räumlichkeiten Ihres Unternehmens zu führen und einige der anwesenden Kollegen vorzustellen. Dies vermittelt einen netten Eindruck und stellt einen gelungenen Abschluss dar. 

Die Nachbereitung

Dokumentieren und analysieren Sie Ihre Eindrücke schnellstmöglich, solange diese noch frisch in Ihrem Gedächtnis sind. Nutzen Sie eine Interview- oder Candidate-Scorecard, um alle Bewerber:innen nach einheitlichen Standards bewerten und letztendlich vergleichen zu können. Falls mehrere Interviewer in eine Entscheidung involviert sind, versuchen Sie die Gruppe schnellstmöglich nach der Durchführung aller Interviews der aktuellen Interviewrunde zusammenzubringen, um eine Entscheidung zu treffen.

Halten Sie sich an den weiteren Zeitplan, den Sie mit dem Kandidaten vereinbart haben, unabhängig ob Sie diesem zu- oder absagen möchten. Selbst wenn die Entscheidung noch nicht getroffen werden konnte, informieren Sie die Person über die eventuelle Verzögerung, um Klarheit zu schaffen und transparent zu bleiben.

Wichtige Fragen für das Vorstellungsgespräch

“Wo sehen Sie sich in den nächsten 5 Jahren” ist eine Frage, die hoffentlich zum letzten Mal vor 5 Jahren gestellt wurde. Zeiten ändern sich und so tun es auch die Fragen, die Sie Ihren Bewerber:innen guten Gewissens stellen können. Setzen Sie sich von anderen Arbeitgebern ab und zeigen Sie Interesse an Ihren Kandidat:innen. Beispielhafte Fragen können sein:

Interessen und Motivation:

  • Was begeistert Sie besonders an unserer Branche oder dieser Rolle?
  • Was hat Sie dazu motiviert, sich für diesen Job zu bewerben bzw. an Ihrer Universität zu studieren?
  • Welche Aspekte dieser Position/unseres Unternehmens finden Sie am spannendsten?

Erfolge und Erfahrungen:

  • In welcher Station Ihrer Karriere haben Sie bisher Ihre größten Erfolge erzielt?
  • Können Sie uns von einem Projekt oder einer Initiative erzählen, bei der Sie besonders erfolgreich waren?
  • Auf welche beruflichen Errungenschaften sind Sie stolz?

Persönliche Entwicklung:

  • Wie haben Sie sich persönlich und beruflich seit Ihrem Studium weiterentwickelt?
  • Was sind Ihre langfristigen Ziele und wie sehen Sie sich in Bezug auf diese Stelle darin?
  • Wie möchten Sie Ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in dieser Position erweitern und vertiefen?

Herausforderungen und Problemlösung:

  • Können Sie ein Beispiel für eine komplexe berufliche Herausforderung nennen und wie Sie diese erfolgreich bewältigt haben?
  • Wie gehen Sie vor, um Probleme zu analysieren und Lösungen zu finden?
  • Wie haben Sie in der Vergangenheit innovative Ansätze zur Problemlösung angewendet?

Teamarbeit und Führung:

  • Beschreiben Sie eine Situation, in der Sie ein Team effektiv geleitet oder unterstützt haben.
  • Wie gehen Sie mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und Meinungen im Team um?
  • Wie fördern Sie die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch in einem Team?

Selbstreflexion und Lernbereitschaft:

  • Welche Erkenntnisse haben Sie aus früheren beruflichen Fehlern oder Misserfolgen gewonnen?
  • Wie gehen Sie mit konstruktiver Kritik um und wie setzen Sie Feedback zur Verbesserung ein?
  • Wie halten Sie Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand?

Diese präzisen Fragen zielen darauf ab, mehr Einblicke in die Persönlichkeit, die Motivation und die spezifischen Erfahrungen der Kandidat:innen zu gewinnen.